Psychische Überlastung erkennen und bewältigen

Was hält Menschen gesund?

Was hält Menschen gesund?

Die Gesundheitsförderung stützt sich stark auf die Erkenntnisse des Medizinsoziologen Aaron Antonovsky (1923-1994). Gesundheit entsteht nach seinem Modell der Salutogenese aus dynamischen Wechsel­wirkungen zwischen belastenden und schützenden Faktoren. Das Modell setzt sich aus den folgenden vier Kernelementen zusammen.

Vier Kernelemente der Salutogenese

  1. Gemäss dem Kontinuum von Gesundheit und Krankheit ist ein Mensch niemals ausschliesslich gesund oder krank. Die Übergänge zwischen Gesundheit und Krankheit sind fliessend. Es existiert kein zeitliches Nacheinander, sondern gesunde und kranke Anteile existieren gleichzeitig.

  1. Der Mensch ist zeitlebens Stressoren ausgesetzt (z.B. belastende Lebensereignisse oder Stress am Arbeitsplatz). Im Modell der Salutogenese nimmt die Art und Weise der Bewältigung dieser Stressoren eine zentrale Rolle ein. Dabei ist zu betonen, dass die erfolgreiche Bewältigung von Stress nicht nur Krankheit abwendet, sondern sogar zu mehr Gesundheit führen kann.  

  2. Es gibt sogenannte generalisierte Widerstandsressourcen, welche die Bewältigung von Stressoren erleichtern, und damit die Gesundheit im Lebensverlauf fördern. Darunter fallen sowohl Merkmale der Person (z.B. Selbstvertrauen und Gelassenheit) als auch Merkmale des sozialen und gesellschaftlichen Umfeldes (z.B. soziale Unterstützung und finanzielle Unabhängigkeit).

  3. Mit den individuellen Lebenserfahrungen entwickelt jeder Mensch seine Orientierung im Leben, die Antonovsky „Kohärenzgefühl“ („Sense of Coherence“) nennt. Menschen mit einem ausgeprägten Kohärenzgefühl kommen besser mit hohen Anforderungen und Belastungen zurecht.

Weitere wichtige Faktoren

In zahlreichen aussagekräftigen Studien konnten wesentliche Annahmen des Modells der Salutogenese bestätigt werden. Dennoch ist Antonovskys Formulierung der Salutogenese nur als ein erster Versuch zu verstehen, der präzisiert und ergänzt werden muss. Insbesondere darf das Modell der Salutogenese nicht darüber hinwegtäuschen, dass unsere Gesundheit nicht nur von persönlichen Voraussetzungen abhängt. Vorhandene Grünräume, gute Schulen, ein gesundes Arbeitsumfeld und ein abwechslungsreiches kulturelles Angebot sind nur einige Beispiele, die das Leben lebenswert machen. Die täglichen Lebensbedingungen wirken sich auch ganz entscheidend auf die Entstehung von Gesundheit aus.


Prof. Dr. Thomas Mattig

Direktor von Gesundheitsförderung Schweiz und Titularprofessor an der Medizinischen Fakultät
Universität Genf